Wir meditieren aus unterschiedlichen Gründen. Die Meditation hilft uns, die physische und mentale Gesundheit zu erhalten oder zu verbessern und unser ganzes körperliches und geistiges Potenzial zu verwirklichen. Die Methoden sind allgemein und nicht abhängig von einer Religion oder Weltsicht. Sie sind nicht starr, auch schwache, kranke und dauernd überarbeitete Personen können sie anwenden. Das letztendliche Ziel ist es, die wahre Freiheit in unserer ursprünglichen Natur zu verwirklichen und die Verbundenheit mit allem kennen zu lernen.
Die Auswirkungen auf den Körper werden heute durch die Neuropsychoimmunologie untersucht. Diese zeigt die Zusammenhänge zwischen dem autonomen Nervensystem und den körperlichen sowie psychischen Erkrankungen auf. Ein Ungleichgewicht in diesem Nervensystem führt zur Beeinflussung unserer Hormonproduktion und den davon abhängigen Organen. Folgen sind Stress und Angst, aber auch Immunschwäche, Asthma, Bluthochdruck und anderes mehr. Ein Überwiegen des sympathischen Nervensystems führt zu Erhöhung der Herz- und Atemfrequenz und des Blutdrucks. Die experimentelle Forschung konnte nachweisen, dass Meditation einen positiven Effekt auf diese Symptome, aber auch auf Schmerzempfindung, Herz-Kreislaufstörungen und sogar auf die Anfälligkeit für Virusinfektionen hat. Durch die Meditation lernen und üben wir, entspannter und klarer zu sein, was sich auch auf den Körper auswirkt. Das sympathische und parasympathische Nervensystem werden ausgeglichen. Dies gilt für die Achtsamkeitsmeditation ebenso wie für Chan/Zen. Die Meditation unterstützt das endokrine und das Immunsystem sowie die Aktivität des Stirnlappens. Durch das Sich-Ausrichten auf den Atem wird dieser langsamer, ruhiger, verlagert sich stärker in den Bauchraum und vergrössert damit das Blutvolumen, indem er Reserven aus Leber und Milz mobilisiert. So ist das Sitzen und Beruhigen der eigenen Gedanken bereits am Anfang sehr wohltuend, regulierend und stärkend.
Die Meditationspraxis kann uns helfen, unser psychisches und geistiges Potenzial zu verwirklichen. Durch die Meditation lernen und üben wir, einen entspannten, fokussierten und klareren Geist zu haben, was sich auch auf den Körper auswirkt.
Die gegenwärtige Forschung konzentriert sich vorwiegend auf die Achtsamkeitsmeditation. Von Dr. Kabat-Zinn wurde das 8-Wochen-Programm MBSR (Mindfullness-Based Stress Reduktion) erarbeitet, das sich aufgrund der klar begrenzten Dauer gut für die Forschung eignet. Untersucht wird vor allem der Zusammenhang zwischen der infolge Meditation erhöhten Achtsamkeit und dem psychischen Befinden. Es gibt Hinweise, dass Mitgefühl mit sich selbst und andern und achtsames Wahrnehmen der aktuellen Erfahrung gestärkt werden, ebenso die Emotionsregulation und eine nichtwertende akzeptierende Haltung. Das heisst, dass die Menschen geduldiger werden und lernen, sich rascher zu beruhigen, sie werden angstfreier, mitfühlender und dankbarer, ihre Stimmung wird stabiler.
Ausserdem tritt eine Stärkung des Willens und der Persönlichkeit auf. Der Umgang mit Stress wird besser, Interessen und Effizienz werden gestärkt. Bei chronischen Schmerzen und psychosomatischen Erkrankungen tritt in 25 bis 50 Prozent eine Symptomreduktion und signifikante Verbesserung des Allgemeinbefindens auf. Die Forschungen zeigen auch positive Hinweise auf eine Beeinflussung der Achtsamkeit bei problematischem Alkoholgenuss. Eine gute Wirkung wurde ebenfalls bei Migräne gefunden. Meditation ist eine wirksamere Entspannungsmethode als autogenes Training (Grawe 1994).
Es zeigte sich jedoch auch, dass sich die Wirkung der Achtsamkeitsmeditation kaum von der Wirkung der Meditation im Allgemeinen unterscheidet. Stress und Wohlbefinden werden eher stärker beeinflusst, negative Emotionen eher weniger. Diese Meditationsarten können zu einer Erhöhung der Lebenszufriedenheit und einer Verbesserung des Schlafverhaltens führen.
Die Meditation stärkt den Charakter durch Übung und Selbstverwirklichung, nicht durch äussere Einflüsse oder Druck. Wir sammeln den Geist, indem wir ihn auf einen Punkt oder ein Wahrnehmungsfeld lenken. Die Gedanken, die zunächst noch wirr durcheinanderlaufen, werden geordneter und fliessen wie in einem ruhigen Gewässer. Ihre Intensität nimmt ab. Auch das Denken in Worten nimmt ab, und wir können beobachten, wie unser Geist ruhiger und klar wird. Diese Stille in unserem Innern wirkt äussert wohltuend. In zunehmend subtiler Wahrnehmung beobachten wir, wie alles, was im Geist auftaucht, vergänglich ist. Wir lernen, uns nicht mehr ganz damit zu identifizieren. So gewinnen wir Einblicke in die Natur unseres Geistes. Das stärkt uns, macht uns weniger abhängig von der Umgebung und von unseren eigenen Antrieben, Motivationen und Emotionen. Wir werden auch unabhängiger von negativen Gewohnheiten und gewohnheitsmässigen Gedankenmustern (wie Selbst-Herabsetzung und Arroganz), und die Grenzen der Selbstzentriertheit werden allmählich aufgeweicht, bis das subjektive Bewusstsein mit dem „Grund“-Bewusstsein eins wird. Dadurch werden wir wirklich frei. Gleichzeitig erfahren wir die Verbundenheit mit allen Lebewesen und mit allem, was existiert. Gemäss Meister Sheng Yen besteht der Weg in Selbst-Gewahrsein, Selbst-Disziplin und Selbst-Transformation. Die vierfache Praxis besteht im Folgenden: Ansehen (um sich selber besser zu verstehen, die eigenen Stärken und Schwächen kennen zu lernen), Anerkennen (wir erkennen und akzeptieren unsere negativen Verhaltensmuster und die Möglichkeit sie mit Konzentration und Einsicht zu überwinden), Harmonisieren (durch heilsames Tun und Weglassen des Unheilsamen) und Erkennen der Leere (realisieren, dass es kein beständiges Selbst gibt, da alles sich ständig ändert).
(Chang She / Hildi Thalmann, 16.10.2011)